Künstler Michael von Hassel spielt in seinen Fotografien mit dem Unsichtbaren. Ihm gelingt es, eine fiktive Welt zu erschaffen, die ihren Ursprung in der Realität findet. Er präsentiert Orte und Plätze, die nur selten Lebewesen abbilden. Der Raum, den der Fotograf mit seiner Fantasie zum Leben erweckt, stellt dem Betrachter ein Gerüst zur Verfügung, mit dessen Hilfe die eigene Vorstellungskraft angeregt wird, eine Geschichte zu schreiben. Michael von Hassel experimentiert mit dem Sinn „Sehen“ und stellt uns vor die Aufgabe, Vorstellung und Realität zu vereinen.
Die Fiktion ist für den Menschen ein spannendes Terrain, weil sie eine Welt darstellt, die einer Fantasie entspricht. Die Träume von Orten, die es in der Realität nicht gibt, doch die Imagination kreiert Wesen, Farben, Räumlichkeiten, die sich vor dem inneren Auge abspielen wie Filme auf einer Leinwand. So verbringen wir viel Zeit in einem sehnsüchtigen Tagtraum. Michael von Hassel macht die Träume real.
Abenteuerliche Orte für außergewöhnliche Motive
Für seine außergewöhnlichen Motive reist Michael von Hassel an die abenteuerlichsten Orte und erobert dort seine Bilder. Es sind nicht etwa typische Reiseziele eines Otto Normalverbrauchers, wie die Bucht von Phang-nga in Thailand, die den Fotografen anlocken. Zu einem Reiseziel gehört zum Beispiel die umstrittene Bohrinsel Sealand, die als Fantasiestaat vor der Küste Suffolks um Anerkennung ringt. Auch der nördlichste Punkt von Sibirien wurde von Michael von Hassel schon „surrealisiert“. Auf der Wunschliste der Reiseziele befindet sich als nächste Station der Niger in Westafrika.
Der Blick in das Bild
Die kahlen Bäume eines eisigen Waldes in Sibirien, wirken auf der Fotografie von Michael von Hassel so als würden sie die kalte Jahreszeit nicht überleben. Der Sonne am Horizont gelingt es nicht, sich durch die eisigen Nebelwände zu kämpfen um Wärme zu spenden. Die Ausstellung „Oktoberfest Cathedrals“ von vor einem guten Jahrzehnt, wirkt wie eine Prophezeiung auf das Oktoberfest 2020. Festzelte deren Größe und Weite auf den Arbeiten von Michael von Hassel unendlich, gar überwältigend erscheinen – doch die Gäste fehlen. Nur der Fotograf selbst kann in einem Bierzelt eine „sakrale Architektur“ entdecken und verwandelt die leere Halle bei Nacht in einen heiligen Raum – wohlwissend, dass nur wenige Stunden zuvor die Bierleichen hinaus befördert wurden.
Die Natur will erobert werden
Der Beruf des Künstlers ist sehr gesellig. Entsprechend viel kommt Michael von Hassel mit dem Menschen in Verbindung – in Galerien, auf Vernissagen, im Geschäft oder als Besucher in seinem Atelier. Die Natur bietet dem Fotografen den Ausgleich zu der geselligen Welt in der er lebt. Deshalb ist es auch die Natur, die als Motiv für Michael von Hassel spannend ist.
„Ein Motiv in der Natur musst du dir erarbeiten. Einen Gipfel erklimmen, eine Wanderung machen, Hürden überwinden und sogar ein wenig leiden. Und wenn du am Ziel bist, bedeutet das nicht, dass das perfekte Bild auf dich wartet. Ich möchte meine Bilder erobern.“
Die Bilder als Spiegel der Seele
Im Interview fällt mir auf wie offen und frei der Künstler, über seine Arbeit und auch über Orte die er bereiste, spricht. Der Blick, den Michael von Hassel uns auf seinen Bildern präsentiert, ist eher eine Offenbarung seiner Seele. Sinnlich und sinnhaft hinterfragt der Fotograf die Tiefe seiner Reiseziele und der Motive, die dort entstehen. So stellte er nach der Rückkehr aus Nordkorea während eines Vortrages die Frage in den Raum, wann sich die Teilung zwischen Nord- und Südkorea ereignet hat. Niemand konnte das beantworten. Michael von Hassel versteht sich als Brückenbauer.
„Wenn wir uns alle besuchen und uns kennenlernen, werden wir feststellen, dass wir uns alle verstehen.“