„Alles auf Hoffnung“ heißt das Album, das Gil Ofarim als Solokünstler im Februar veröffentlicht hat. Das Album belegte direkt den Platz fünf der deutschen Charts. Nur wenige Wochen danach aber kam der Lock-down und die ersehnte Vorstellung der aktuellen Platte musste in die Pause gehen. Doch der neue Umstand machte den Musiker erfinderisch. Als einer der ersten Künstler präsentierte Gil seine Musik in wöchentlichen Live-Streams. Die Bedeutung hinter dem Album bekam ein neues Gewicht und der Titel „Alles auf Hoffnung“ verwandelte sich zum Mantra des Musikers und seinen Fans. Im Interview erzählt Gil Ofarim wie er den Lock-down meistert und welche Hoffnungen in ihm schlummern.
„Der Weg ist das Ziel“
22 Jahre liegen zwischen dem ersten und zweiten Album von Gil Ofarim als Solokünstler. Fast ein viertel Jahrhundert in dem er nicht nur das Genre, sondern auch die Sprache gewechselt hat. Die Medien berichten von dem Album als „Tagebuch“ des Künstlers. Tatsächlich ist es eher ein Oeuvre. Die Texte tragen Erinnerungen, Erfahrungen, Emotionen – versteckt in Poesie. Lyrische Passagen unterstützen dabei, die Songs nachempfinden zu können. Gil erzählt, dass dieses Album eine Lebensreise gewesen ist und er alle Stationen erleben musste, um dieses Werk zu schreiben – den Start als Jugendstar sowie die Bands Zoo Army und Acht. Dennoch ist nicht alles autobiografisch auf der Platte. Gil Ofarim ist ein Songwriter und arbeitet mit seiner Fantasie. Er möchte seine Texte nicht banal erklären, denn dann bleibt kein Raum für den Zuhörer, eine eigene Version der Geschichte zu gestalten.
Die Frage, welche Sprache das Album erzählen sollte, stellte sich für Gil nicht. Der Stolz gegenüber dem Land der Dichter und Denker schwingt selbstverständlich mit, als Gil über die schöne deutsche Sprache spricht. Die Möglichkeiten, die die Sprache in ihrem Ausdruck bietet und die Poesie, die der englischen Sprache vorauseilt, seien einmalig.
Vom Ende der Traurigkeit
Dein Grau wächst ins Blau und versperrt dir die Sicht
Will alles von dir, nur dein Bestes will’s nicht
Du zählst drauf bis gar nichts mehr zählt
Doch glaub mir, mein Freund, wenn die Angst dich verliert
Weil Gutes am liebsten den Guten passiert
Dann such dich bis gar nichts mehr fehlt
18 Wochen, 18 Live-Streams
18 Wochen, 18 Live-Streams – das ist die Bilanz der Online-Konzerte von dem Münchner Musiker und seinem Pianisten. Was für mich wie ein professionelles Studio aussieht, deklariert Gil als einen Keller, den er für die Bandproben nutzt. Das Handy zeichnet die Sessions auf. Auf ein professionelles Team hinter der Ausstrahlung verzichtet der Künstler bewusst. Seinen Fans spricht Gil mit Zuversicht und positiver Energie zu: „Wir schaffen das gemeinsam!“ Die Konzerte sind für all diejenigen, die in dem Lock-down leiden und denen die Zeit in den vier Wänden schwer fällt. So steht der Musiker im Austausch mit seinen Fans. Er hält die Gespräche aufrecht und unterhält mit seiner Musik. Den Dialog suchte Gil Ofarim auch zu mir und überraschte mit seinem Interesse. Meine Fragen spielte er mir wie Bälle zurück und kurzerhand befanden wir uns in einem Für und Wider über gesellschaftliche Themen.
Ohne Kunst wird es still
Den Blick in die Kristallkugel kann Gil nicht liefern. Doch eigentlich scharrt auch er schon ungeduldig mit den Hufen und wünscht sich ein zeitnahes Ende des Lock-downs und der Pandemie. Er zitiert die weisen Worte von Till Brönner, die vor wenigen Tagen viral gegangen sind. Till Brönner übernahm das Wort für die Kunst- und Kulturschaffenden und stellte ein Video ins Netz das deutschlandweit Bewunderung und Dankbarkeit erntete. Dankbarkeit empfindet Gil, ob seiner gesegneten Position auch. Aus dem Lock-down konnte der Familienvater das Beste machen. Seine Kinder lernten das Fahrradfahren, die Familie genoss die Sonne und Zeit für die Musik blieb außerdem. Mit dem zweiten Lock-down hat Gil allerdings nicht gerechnet. Er fürchtet um die Existenzen vieler Freunde und wird, wie alle Künstler, ungeduldig in Bezug auf die Entscheidungen der Politik. Denn ohne Kunst wird es still.